Neues soziales Wohnen - Gründe für eine IBA in Wien

 

Wien ist seit vielen Jahrzehnten für seine erfolgreiche, soziale Wohnungspolitik und für hohe Qualitäten im Wohnbau und in der Stadterneuerung bekannt. Es drängt sich daher die Frage auf, warum sich Wien ausgerechnet für eine IBA zum Thema "Neues soziales Wohnen" entschieden hat - die Antwort ist kurz: weil auch der Wiener Wohnbau Anfang des 21. Jahrhunderts vor neuen großen Herausforderungen steht, und weil insbesondere eine herausragende Positionierung auch die Verpflichtung mit sich bringt, sich unaufhörlich und unter Einbindung viele Akteurinnen und Akteure um Neuentwicklungen und vorausschauendes Handeln zu bemühen.

In ganz Europa wachsen die Städte, während gleichzeitig die Wirtschaft - und in zunehmendem Ausmaß die Bevölkerung - an den Folgen der globalen Finanzkrisen und der aktuellen Gesundheitskrise leidet. Es liegt daher in der Verantwortung der Städte, rechtzeitig neue Wege zu suchen, um unter diesen Rahmenbedingungen künftig leistbaren und qualitätsvollen Wohnraum zu bieten. Diese Notwendigkeit der strukturellen Weiterentwicklung gilt natürlich auch für Wien als führende Stadt auf dem Gebiet des sozialen Wohnbaus.

Wien ist seit vielen Jahrzehnten für seine erfolgreiche, soziale Wohnungspolitik und für hohe Qualitäten im Wohnbau und in der Stadterneuerung bekannt. Doch natürlich steht auch der Wiener Wohnbau Anfang des 21. Jahrhunderts vor neuen großen Herausforderungen:

Das insbesondere in den vergangenen Jahren rasche Wachstum der Stadt, das - wenn auch etwas abgeschwächt - konstant anhält, wird in sehr naher Zukunft die Bevölkerungszahl Wiens die 2 Mio.-Grenze überschreiten lassen - das entspricht einem Zuwachs in den letzten Jahrzehnten von rd. 1/3 der Gesamtbevölkerung. Wien wird damit wieder seinen historischen Höchststand erreichen, der zuletzt in der Gründerzeit verzeichnet wurde. Die Stadt Wien hat sich daher seit 2017 das Ziel gesetzt, die bereits vorher hohe geförderte Neubauleistung weiter anzuheben und 9.000 geförderte Wohnungen jährlich zu errichten - insgesamt sollen damit 13.000 Wohnungen pro Jahr entstehen.

Die "Flucht ins Betongold", lässt auch in Wien die Immobilienpreise stark ansteigen, während die Realeinkommen in breiten Teilen der Bevölkerung stagnieren und seit der COVID-19-Krise sogar sinken. Mit neuen Gemeindewohnungen und vor allem dem SMART-Wohnbauprogramm, das bis zu 50% der geförderten Neubauleistung umfasst, bietet die Stadt der Bevölkerung daher besonders kostengünstige Mietkonditionen mit Bruttomieten von max. 7,50 Euro pro m2.

Gleichzeitig vollzieht sich ein demographischer Wandel: einerseits verjüngt sich die Bevölkerung, sodass das traditionell "überalterte" Wien heute unter den österreichischen Bundesländern bereits die jüngste Bevölkerung aufweist, andererseits steigt die Zahl betagter und hochbetagter Menschen, auf deren spezielle Wohnbedürfnisse durch vielfach neu zu entwickelnde Angebote einzugehen ist.

Schließlich ist Wien auch von globalen Ereignissen wie der erst 2020 neu entfachten Finanzkrise und den globalen Flüchtlingsbewegungen betroffen. Soziale Unterschiede nehmen europaweit zu. Die Stadt Wien erachtet es daher als äußerst wichtig, eine Politik der sozialen Inklusion und sozialen Durchmischung fortzusetzen und bedarfsgerecht auszubauen. Nicht ohne Stolz verweist der Wiener Bürgermeister auf den Umstand, dass „man in Wien den sozialen Status der Menschen nicht an ihrer Wohnadresse ablesen kann, wie dies an vielen anderen Orten der Welt der Fall ist“. Und das soll, trotz schwierigeren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, auch weiter so bleiben.

Nicht zuletzt muss sich der Wiener Wohnbau aber auch den Herausforderungen der Klimaveränderung und des Klimaschutzes, zu dem sich Österreich u.a. 2015 in Paris verpflichtet hat, immer wieder neu stellen: einerseits, indem die hohen energetischen Standards weiter verbessert werden, andererseits indem die Resilienz der Wohnbauten gegenüber klimatischen Veränderungen erhöht werden. Dabei wird großes Augenmerk darauf gelegt, sinnvolle, innovative und ganzheitliche Lösungen umzusetzen, um nicht in einseitige technologische oder kostenseitige Sackgassen zu geraten, denn Wohnen muss in erster Linie leistbar bleiben. Wien weist derzeit bereits den europaweit höchsten Bestand an mehrgeschossigen Passivhäusern auf und wird im Rahmen der Smart City-Aktivitäten weiterhin an zukunftsfähigen Themen arbeiten.

Das Ziel der IBA_Wien ist es, kluge Neuentwicklungen für die Zukunft des sozialen Wohnens und deren Umsetzung in die Realität anzuregen, diese bis zur Umsetzung hin zu unterstützen und schließlich auch sichtbar zu machen. Leistbarkeit, sichere Wohnverhältnisse und zeitgemäße Standards für ein würdevolles Wohn- und Lebensumfeld bilden dabei immer das Grundgerüst für alle Entwicklungen. Darüber hinaus stellen sich viele Fragen, wie auf globale Entwicklungen und deren Auswirkungen auf uns reagiert werden kann: Wie gehen wir z.B. mit den geänderten Rahmenbedingungen der Arbeit um? Wie können benachteiligte Menschen wirksam unterstützt werden? Wie kann ein hoher Qualitätsstandard garantiert werden, wenn die Preise für Boden und fürs Bauen steigen und die Menschen unter Druck geraten? Wie tragen Städte zum Schutz unserer Lebensumwelt bei? Und wie passen wir uns an die bereits spürbaren Auswirkungen des Klimawandels an? Wie kann das Zusammenleben nachhaltig gestaltet und organisiert werden? Also: Wie wohnen wir morgen?

Bis 2022 werden daher in 9 Quartieren und an 15 weiteren Einzelstandorten insgesamt mehr als 100 innovative Projekte und Prozesse sowohl in ausgewählten Gebieten der Stadterweiterung als auch der gebauten Stadt umgesetzt. Dabei werden neue Modelle und Verfahren im Zusammenhang mit Themen des sozialen Wohnens erprobt, die Wien für die Anforderungen der Zukunft fit machen sollen: Leistbarkeit, Mobilität, gute Zusammenleben und gesundes Wohnen & Arbeiten stehen im Mittelpunkt dieser Internationalen Bauausstellung "IBA_Wien 2022".

Im Herbst 2020 fand eine siebenwöchige Ausstellung zur Zwischenpräsentation der IBA-Wien statt. Diese Ausstellung vermittelte erstmals einen Gesamtüberblick über die ausgewählten Projekte und Maßnahmen und bot einen werkstattähnlichen Einblick in das Stadium der Entwicklung, in dem sich diese Projekte befinden. Teilweise agieren sie als Einzelprojekte, der Großteil leistet im Zusammenwirken mit anderen aktive Beiträge für nachhaltige und umfassende Quartiersentwicklungen. Alle leisten einen Beitrag für die Gesellschaft und stehen nicht für sich allein. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie sich derzeit in Umsetzung befinden und teilweise sogar bereits abgeschlossen sind. Bis zur Schlusspräsentation der IBA_Wien im Jahr 2022 werden nahezu alle gezeigten Beispiele fertiggestellt sein.